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Frau mit Halstuch
(Foto: dpa)

Marlies Krämer und das generische Maskulinum

Kunde oder Kundin? Warum der Bundesgerichtshof falsch entschieden hat

Wenn Marlies Krämer (Foto, dpa) mit der Sparkasse zu tun hat, möchte sie richtig angesprochen werden: als Kundin. Nicht als Kunde, dann wäre sie ja männlich. Klingt logisch, oder? Das sollte man meinen, aber das gute alte generische Maskulinum verursacht – mal wieder – das blanke Chaos.

Der Übeltäter: das generische Maskulinum

Schließlich gelte “Kunde” im allgemeinen Sinne auch für Frauen, so der allgemeine Glaube. Aber genau das ist der entscheidende Denkfehler, über den jedoch kaum jemand spricht. Es gilt eben nicht gleichermaßen für Frauen wie für Männer – etliche sprachwissenschaftliche und psychologische Studien haben das schon lange bewiesen, aber kaum jemand zieht es in Betracht, nach diesen Erkenntnissen zu fragen. Das generische Maskulinum – also beispielsweise “Kunde” im verallgemeinernden Sinne, ohne spezifische Personen zu bezeichnen – hat eine deutlich männliche Schlagseite. Frauen sind durch das generische Maskulinum sprachlich unterrepräsentiert (aber auch nicht kategorisch ausgeschlossen, das muss dazu gesagt werden).

Fatale Fehlentscheidung des BGH

Und genau diese sprachliche Unterrepräsentanz sollte als Verstoß gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gelten. Der Bundesgerichtshof hat nun allerdings entschieden, die männliche Ansprache allein sei noch kein Verstoß. “Dies wäre nur der Fall, wenn weibliche Kunden generell nachteilig behandelt würden”, so die Begründung des BGH laut Spiegel.

Diese Entscheidung ist auf schockierende Weise falsch. Sprache ist unser mächtigstes Mittel, um bestimmte Menschengruppen zu diskriminieren. Sprache ist nicht einfach nur eine Aneinanderreihung von Wörtern, sondern kann echte Konsequenzen für uns zur Folge haben. Einfachstes Beispiel: Wenn der Richter sagt: “Hiermit verurteile ich sie zu 10 Jahren Haft”, dann sind das nicht nur ein paar Wörter, sondern ist ein performativer Akt, der mich 10 Jahre ins Gefängnis stecken wird. Wir können mit Sprache eingrenzen, ausgrenzen, Welten erschaffen, Welten zerstören und alles dazwischen. Das sollte eigentlich jeder wissen, schließlich haben wir alle täglich mit der deutschen Sprache zu tun. Und trotzdem verstehen wir sie nicht.

Marlies Krämer: Sprache als Schlüssel zur Gleichberechtigung

Marlies Krämer hat also absolut recht, wenn sie sagt, Sprache sei der Schlüssel zur Gleichberechtigung. Und genau das macht die Entscheidung des BGH so tragisch. Marlies Krämer wird ein fundamentales Recht verweigert. Durch das generische Maskulinum entsteht Ungleichbehandlung und ist daher ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgesetz.

Ich kann nicht nachvollziehen, warum und in welcher Weise Frauen “anders” benachteiligt werden müssen, damit man von angeblich echter Ungleichbehandlung sprechen kann. Der BGH übersieht, dass das dank des generischen Maskulinums tagtäglich geschieht.

Fordert eure Freunde einfach mal auf, sie sollen ein paar berühmte Schauspieler nennen. Meine Schätzung: Zu 30% werden Frauen genannt und zu 70% Männer – obwohl es jeweils etwa hälftig Schauspieler und Schauspielerinnen gibt.

Ungleichbehandlung beginnt bei der Sprache

In den Kommentaren unter Schlagzeilen wie der Heutigen fühlen sich viele Menschen immer gleich angegriffen, wenn gefordert wird, dass man nicht z.B. nur von “Kunden”, sondern auch von “Kundinnen” sprechen soll. Das liegt daran, dass sie sich auf den Schlips getreten fühlen. Schließlich meinen sie es ja gar nicht so. Sie wollen ja gar niemanden benachteiligen, sondern meinen doch immer Männer und Frauen. Das ist ja schön und gut, aber das ist nun mal nicht das, was auf Zuhörerseite ankommt. Doch darauf kommt es an, wenn Kommunikation funktionieren soll. Leider verstehen das viele nicht und bleiben bei der Sprecherseite hängen.

Deshalb – und wegen vieler anderer Gründe (wie diesem) – nehmen wir Frauen und Männer nicht gleich wahr. Ungleichbehandlung beginnt bei der Sprache – dem müssen wir uns in Deutschland erst einmal bewusst werden, wie auch die SPIEGEL-Umfrage zeigt:

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Dieses Ergebnis ist völlig wahnwitzig und illustriert hervorragend, wie wenig wir uns bisher mit unserer eigenen Sprache auseinandergesetzt haben. Ich meine – Achtung – in der Überschrift steht: “Finden Sie, dass es ein Recht auf eine weibliche Ansprache geben sollte?” – und 69% sagen “Nee, du, lass ma”? Wie krass ist das denn?

Einfach mal den Spieß umdrehen

Eine Umkehr der Verhältnisse würde vielen Männern – und auch Frauen – die Augen öffnen. Es gibt nämlich auch das generische Femininum – also die generalisierende weibliche Form für Frauen und Männer. Wie cool fänden es die Männer, wenn sie plötzlich nur noch weiblich angesprochen werden? Ich sag’s euch – sie würden Sturm laufen.

Und wie fiele das Ergebnis wohl aus, wenn man die Frage stellen würde, ob Männer ein Recht auf männliche Ansprache haben sollten? Viele würden sich fragen: “Hä? Was soll denn die dumme Frage? Natürlich sollen sie das Recht haben.” Aber Frauen? Nö, die müssen auch so klar kommen. Hoffentlich runzeln wir in einigen Jahren dazu genauso die Stirn wie heute zu der Tatsache, dass Vergewaltigung in der Ehe vor noch gar nicht allzu langer Zeit in Deutschland straffrei war. Ich freue mich sehr auf diese Zeit!

Foto: dpa

1 thought on “Marlies Krämer und das generische Maskulinum

  1. “Generisches Maskulinum” ist ein fehlleitender Begriff. Das Geschlecht eines Wortes ergibt sich aus der grammatikalischen Beschaffenheit und Personenbezeichnungen haben in den meisten Fällen (zwangsmässig) ein männliches Geschlecht, da es sprachlich gesehen ursprünglich das Standardgeschlecht und auch das einzige Geschlecht war. Weibliche und sächliche Substantive haben in den allermeisten Fällen einen Grund, weshalb sie weiblich/sächlich sind, so sind weibliche Substantive meist Abstraktionen. Das Suffix -in führt zu einer Spezifikation. Es respektiert eine Frau nicht nur als Kunde, sondern auch als Frau. Da muss man sich dann eben fragen: Was ist das Ziel, Gleichberechtigung oder Spezialberechtigung der Frau? Island zum Beispiel ist bei der Hauptbezeichnung (dem generischen “Maskulinum”) geblieben und bezeichnen auch Frauen als Präsidenten und siehe da, sie sind weiter als die Deutschen bezüglich Gleichberechtigung.

    Würde man schon im frühen Alter allen beibringen, dass das generische “Maskulinum” eben nichts mit biologischer Maskulinität zu tun hat, würden die Studien wohl bald auch wieder anders aussehen. Aber solange die Doppelform und andere Formen aktiv gepusht werden, ist es kein Wunder, dass irgendwann der Eindruck entsteht, dass die generische Form nur den Männern vorbehalten ist.

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