Der Skandal um den US-amerikanischen Filmproduzenten Harvey Weinstein ist zwar ein besonders krasser Fall, die heftigen Reaktionen zeigten uns aber genau deshalb sehr eindrucksvoll, dass unsere Gesellschaft – nicht nur die amerikanische – ein mächtiges Sexismus-Problem hat: Frauen gelten noch immer als das schwächere Geschlecht, eben weil sie Frauen sind.
Zum einen nutzte Weinstein unbehelligt seine Macht, um weniger mächtige Frauen sexuell zu belästigen, zu nötigen oder zu vergewaltigen. Seine „Besetzungscouch“-Praktiken waren in Hollywood ein offenes Geheimnis. Nicht einmal über die Medien kamen bis Oktober dieses Jahres seine Machenschaften an die Öffentlichkeit. Zu groß sein Einfluss, zu groß die Angst vor der eigenen Ächtung.
Zum anderen zeigte der Skandal, dass es erst dutzende Frauen braucht, die einen Mann des Fehlverhaltens bezichtigen, bis es gesellschaftlich inakzeptabel wird, diesen weiter zu unterstützen. Die daraus entstandene #MeToo-Debatte mit Millionen von Tweets machte zudem deutlich, dass es Sexismus, in welcher Form auch immer, überall und nicht nur in Hollywood gibt. Trotzdem suchen manche Menschen immer noch die Schuld bei der Frau, z.B. indem sie die Frage in den Mittelpunkt stellen, warum der Aufschrei erst jetzt kommt oder indem sie argumentieren, Frauen sollen eben ihre Bluse zuknöpfen.
Dieses ungleiche Machtgefüge zwischen Frau und Mann gibt es auf vielen Ebenen und ist ein strukturelles Problem. Ich bin der Meinung, dass im Sinne der Gleichberechtigung Männer in dieser Diskussion genauso eingespannt werden müssen wie Frauen. Das ist alleine schon deshalb notwendig, weil es nur vordergründig um die Frau geht. Der wunde Punkt in der Gender-Debatte ist nämlich die Tatsache, dass unserer Gesellschaft ein sehr tief verwurzelter Patriarchismus zugrunde liegt, für den kein Mann pauschal etwas kann, der aber historisch so gewachsen ist. Wenn wir uns ernsthaft für Geschlechtergerechtigkeit einsetzen wollen, dann müssen sich auch die Männer dieser Diskussion stellen, in der es auch darum geht, gewisse Privilegien als Mann aufzugeben. Fazit: Wenn wir über die Rolle der Frau reden, müssen wir automatisch auch immer über die Rolle des Mannes reden.
Wer nun irgendeine öffentliche Diskussion zum Thema „Gender“ verfolgt, der wird merken, dass es eher selten tatsächlich um den Inhalt geht, sondern sich die ganze Diskussion um die grundlegende Frage dreht, ob wir eine „Gender-Debatte“ überhaupt brauchen. Die Taktik der Gegner ist dabei so einfach wie genial: Wir machen uns über das Thema lustig und diskreditieren alle Befürworter als Gender-Ideologen. Wenn man bereits an dieser simplen Frage scheitert, dann ist es wenig überraschend, dass inhaltlich gar nicht erst diskutiert wird.
Dieser Blog soll genau dies anregen. Anhand von Beispielen möchte ich zunächst einmal verdeutlichen, dass „Gender“ kein Hirngespinst, sondern ein zentraler Identifikationsanker jeder Gesellschaft ist. Er soll zudem die so umstrittene Frage der Notwendigkeit ganz klar beantworten: Ja, Deutschland braucht eine sachliche Gender-Debatte. Er soll dabei aber ausdrücklich nicht Männer als Sündenbock stigmatisieren. Im Allgemeinen geht es hier nicht um Opfer und Täter, sondern um eine (selbst-)kritische Auseinandersetzung mit dem Machtgefüge zwischen Frau und Mann. Das geschieht am besten, indem man sich mit dem Thema auseinandersetzt und indem man Stereotypen und Vorurteile, von denen wir alle vereinnahmt sind, aufdeckt und gegen sie ankämpft. Denn von einigen biologischen Unterschieden abgesehen, sind sich Mann und Frau viel ähnlicher, als wir im ersten Moment denken.
~ Hamburg, 13. Dezember 2017