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Zum Titel: Wer hat Angst vor Gender?

Um es gleich vorweg zu nehmen: Ja, der Titel dieses Blogs ist zugegebenermaßen etwas zugespitzt. Natürlich hat niemand Angst vor Gender im wörtlichen Sinne. Wenn das so wäre, dann wären wir schlicht lebensunfähig. Wir haben ja täglich mit uns selbst zu tun. Obwohl wir kaum darüber sprechen, liegt vieler unserer Gedanken und Handlungen unser Konzept von Gender zugrunde. Ohne unsere Geschlechteridentität wären wir nicht wir. Also warum spreche ich von Angst vor Gender?

Zunächst einmal hat es einen ganz praktischen Nutzen. Da ich noch nicht weiß, ob ich den Blog vielleicht eines Tages internationalisiere und auch auf Englisch schreibe, wollte ich einen Titel, den man auch als Englischsprachiger versteht, aber gleichzeitig nicht nur ein „fancy“ englischer Titel sein soll, obwohl ich auf Deutsch schreibe. Das wäre irgendwie unpassend gewesen.

The German Angst

Wie soll man solch einen Titel finden? Es hat mich einige Überlegungen gekostet. Zum Glück gibt es Germanismen, also deutsche Begriffe, die sich in anderen Sprachen etabliert haben. Es sind zwar bei weitem nicht so viele, wie es Anglizismen im Deutschen gibt – das sollte einleuchtend sein – aber doch, es gibt sie. „Angst“ ist einer davon und ich bin mir sehr sicher, dass das kein Zufall ist.

Der Begriff „German Angst“ hat sich im 20. Jahrhundert etabliert und wird heute noch gelegentlich genutzt, wenn es um übertriebene Vorsicht oder überhöhte Sorge um politische, gesellschaftliche oder umweltbedingte Entwicklungen geht. Gute und junge Beispiele dafür sind der, in den Augen vieler Länder, voreilige Entschluss, nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima aus der Atomenergie auszusteigen und die Flüchtlingskrise von 2015 und die damit einhergehende Angst vor der „Islamisierung des deutschen Abendlandes“ (was auch immer das bedeuten soll).

So verrückt es klingt, aber wenn ich mir anschaue, wie hysterisch und paranoid gegen die in keinster Weise existente „Islamisierung des Abendlandes“ demonstriert wurde, dann erkenne ich in der Gender-Debatte so einige Parallelen wieder. Schließlich geht es hier nicht minder chaotisch zu. Das liegt aber nicht an unserem „Deutschtum“, sondern eher an unserer Debattenkultur. Wir hören nicht zu, überzeichnen, sind nicht offen genug für andere Beiträge und haben nur das Ziel, unseren eigenen Standpunkt zu validieren. „Gender-Angst“ bezieht sich also mehr auf die Art und Weise, wie wir in Deutschland mit dem Thema umgehen, als den Deutschen pauschal eine Phobie zu attestieren, einfach weil sie Deutsche sind. Das wäre schließlich eine Stereotypisierung.

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